Gottfried oder Godefroy / Balduin oder Baudouin?

  • Ich bin über diese Frage schon häufiger gestoßen. Wie haben sich die Menschen im Französisch/deutschen Gebiet zu unserer Zeit genannt? Gerade jene aus dem Grenzbereich, was ja auf viele unserer Adelshäuser zu trifft?


    Klar ist: modernes Französisch hat damals niemand gesprochen und ich bin irgendwie wirklich unsicher ob es wirklich "Godefroy", "Baudouin" oder "Amaury" hieß. Die Namen stammen allesamt aus dem germanischen und ob die Transformation von Gottfried hin zu Godefroy damals wirklich schon abgeschlossen war, wage ich zu bezweifeln.


    Vielleicht geben die lateinischen Versionen hier mehr Auskunft? Lateinisch heißt es Godefridus, Balduinis oder Amalricus. Das ist alles näher an der deutschen als an der modernen französischen Version dran. Und immerhin sind es ja diese lateinischen Versionen der Namen, welche in den Quellen (zum Beispiel Fulcher von Chatres) verwendet werden oder?


    Also bleibt die Frage: Wie liefen die Herren damals rum? Sprach König Balduin II von sich als Balduin? Als Baudouin?


    An unsere Historiker: Weiß man etwas darüber?

    Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen. Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen. Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.
    Seine Gnaden Edmund von Westernach, Herr von Caymont
    Ehemann der Bolka z Medlova
    Adliger von Jerusalem
    Ritter

  • Stimmt, das ist eine sehr interessante Frage, die ich mir auch schon mal gestellt habe.

    Selbst wenn es so wäre, wie gehen wir dann hier im Forum damit um. Ich meine, wir haben jetzt jahrelang die französische Form der Namen benutzt.
    Wollen wir das dann beibehalten oder jetzt nachträglich noch ändern? :/

    Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.
    Meister Bhreac McLeod
    Ehemann der Ailis McLeod
    Franke von Jerusalem
    Waffenschmied (Meister)

    • Offizieller Beitrag

    Stimmt gar nicht, wie haben sowohl Balduine als auch Baudouins :D


    Würde das einfach locker laufen lassen, jeder kann's machen wie er möchte. Theoretisch halte ich die französische Variante für "richtiger", aber warum sollte man alles so pingelig genau festlegen? Dann müsse man theoretisch alle Namen irgendwie gleichschalten.


    Ich denke auch nicht, dass ich dann für Melisende die richtige Schreibweise hätte. Da fehlen noch ein paar gefühlte hundert Akzente. ^^

    Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen. Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen. Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.
    Ihre königliche Hoheit Melisende von Jerusalem, Königin von Jerusalem
    Adlige von Jerusalem

  • Eine interessante Frage :)

    Ich habe gelesen, dass die Franken vor allem aus der Grafschaft Tripolis wohl überwiegend Okzitanisch sprachen, da sie eher aus Einwanderern aus Südfrankreich und Italien stammten. Deshalb herrschte dort Okzitanisch vor.

    Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.

    Seine Gnaden Cedrick von Cornberg
    Adliger von Jerusalem
    Knappe von Edmund von Westernach

  • Nun bin ich weder Namens- noch Sprachforscher, aber wenn dich das Thema so umtreibt, will ich versuchen, einige Punkte historisch einzuordnen.


    Nach der lateinischen Version des Namens, wie er uns aus den Quellen entgegen tritt, können wir uns für die Allltagssprache nur bedingt richten. Hier handelt es sich um das gelehrte Latein der Historiographen, dass sich deutlich von der Sprache des Alltags abhebt. Ein gutes Beispiel hierfür ist Karl der Große. In den Quellen findet sich durchgehend die Bezeichnung Carolus bzw. Karolus. Aber aus der Vita Einhards wissen wir, dass Karl der Große muttersprachlich ein deutsch-germanisches Idiom gesprochen hat, wenngleich er auch das romanische Idiom verstand, das im Westteil seines Reiches gesprochen wurde. Es ist also davon auszugehen, dass er sich selbst Karl genannt hat.


    Schaue ich auf meine universitären Quellen, so sind die Namen zumeist lateinisiert. Allerdings sind hier deutliche Hinweise zu finden, dass man sich durchaus bewusst war, dass es von ein und demselben Namen je nach Herkunft und Sprache verschiedene Versionen gibt. Dem wurde auch Rechung getragen. So finden sich in den Prokuratsbüchern von Paris die Schreibweisen Guillaume, Guillermus und Willehelmus. Allerdings befinden wir uns mit diesen Quellen schon im 14. und 15. Jahrhundert.


    Für unsere Zeit wäre eine andere Quelle interessant. Es gibt eine anonyme Fortsetzung der Chronik Wilhelms von Tyrus, die in Altfranzösisch verfasst worden ist. In dieser wird über den Fall Jerusalems berichtet. Ich müsste mal schauen, ob wir eine Edition derselben in unserer Bibliothek haben. Wohlgemerkt eine Edition des Originaltextes und keine Übersetzung ins moderne Französisch. Dann könnte ich schauen, wie dort die Namen geschrieben werden.


    Grundsätzlich schließe ich mich aber Mina an, dass ich es weiterhin jedem freistellen möchte, welche Version des Namens er oder sie verwendet.

    Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen. Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen. Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen. Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.
    Seine Gnaden Romain du Puy, Baron von Oultrejordain
    Ehemann der Eleonora von Jaffa
    Adliger von Jerusalem
    Ritter, Seneschall von Jerusalem

  • Ich habe mal in die Fortsetzung geschaut und ein paar Namen rausgeschrieben. Dies ist die Schreibweise verschiedener Namen, wie sie in einem französischsprachigen Werk des 12. Jahrhunderts zu finden ist. Wenn du nun genau wissen willst, wie man diese im 12. Jahrhundert ausgesprochen hat, musst du dich an einen romanistischen Philologen wenden. In dem Punkt kann ich dir leider nicht weiterhelfen.


    Amauri
    Balian / Balyan
    Baudoyn
    Conrat
    Girart
    Guillaume
    Guy
    Hanfrei
    Henri
    Hue
    Jaque
    Jocelin
    Johan
    Phelippe
    Reimont / Reymont
    Renaut
    Richard


    Agnes
    Elienor / Elynor
    Marie
    Sebille
    Ysabel

    Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen. Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen. Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen. Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.
    Seine Gnaden Romain du Puy, Baron von Oultrejordain
    Ehemann der Eleonora von Jaffa
    Adliger von Jerusalem
    Ritter, Seneschall von Jerusalem

    • Offizieller Beitrag

    Hui, vielen Dank! Das ist sehr aufschlussreich finde ich! Danke für die Mühe =)


    Girart finde ich ja irgendwie ziemlich cool.

    Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen. Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen. Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.
    Ihre königliche Hoheit Melisende von Jerusalem, Königin von Jerusalem
    Adlige von Jerusalem

  • Wie gut, daß wir die Namen nur schreiben müssen ^^

    Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.
    Meister Bhreac McLeod
    Ehemann der Ailis McLeod
    Franke von Jerusalem
    Waffenschmied (Meister)

  • Conrat gefällt mir sehr gut, die Schreibweise hat was :) :thumbup: wohl wahr, wir müssen die Namen nur schreiben :) ;)

    Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.

    Seine Gnaden Cedrick von Cornberg
    Adliger von Jerusalem
    Knappe von Edmund von Westernach

  • Late to the party, aber ich werfe noch etwas Linguistik in die Runde xD


    Ich kann leider keine konkrete Quelle nennen, weil ich die nicht mehr habe, aber ich habe Mal den theoretischen Hintergrund für eine Bachelorarbeit korrekturgelesen, wo die Schreiberin dieses Thema kurz behandelt hat - müsste schauen, ob ich die auf einer alten Festplatte noch habe, das ist aber schon viiiiele Jahre her.

    Da schrieb sie davon, dass wie unser Haus- und Hofhistoriker bereits erwähnte, es durchaus nicht unüblich gewesen zu sein scheint, dass Leute "mehrere" Namen hatten. Im Maximalfall waren das durchaus mehrere. Es gab einen Rufnamen, einen offiziellen Namen, zum Teil einen "Hofnamen" und einen wissenschaftlichen Namen.

    Sie hat das damals anhang irgendeines Pippins dargestellt (ich weiß das nur noch, weil ich bis dahin nicht präsent hatte, dass das ein realer Name war und nicht nur ein Hobbit), der wohl für sich selbst Pippin von XYZ hieß und auch irgendwo aus einer deutschsprachigen Region kam, irgendwo in einem Dokument als Pépin de XYZ bezeichnet wurde, weil französisch dort die Alltagssprache war und in einer lateinischen Chronik wird er als Pippinus bezeichnet, weil der Rest eben Latein war - also hat er einen fancy lateinischen Namen gekriegt. So weit ich mich erinnere, war das zwar auch deutlich später, aber es würde mich aus sozialer Sicht nicht wundern, ich kenne mehrere Leute mit mehrsprachigem Familienhintergrund, die einen deutschen Namen und einen Namen in ihrer Familiensprache haben, weil die kleinen Unterschiede für uns zum Teil gar nicht hörbar sind und Namen auch immer Teil der eigenen Identität sind. Ich kenne etwa eine Zsófia, die 90% der Leute falsch an- und aussprechen. Sie reagiert aber auch auf Sofia. Gleichzeitig kenne ich eine Jelena, die ihren Namen damals von ihrem russichen Vater bekommen hat, aber fast seit ihrer Geburt mit ihrer Mutter in Österreich lebt und sich immer als Helena vorgestellt hat, weil das ihrer Lebensrealität entsprochen hat.


    Was Schreibweisen angeht, so muss man - und hier stütze ich mich auf den Linguistik-Anteil meines eigenen Studiums (bzw einen Gastvortrag und das einzig interessante aus diesem Fach) - sagen dass das vielerorts lange nicht sooooo genau war. So lange es fancy war, in anderen Sprachen zu schreiben und ein breiter Teil der Bevölkerung mit Lesen und Schreiben ohnehin nichts am Hut hatte, war viel nicht niedergeschrieben und schon gar nicht in irgendeiner lokalen Sprache oder einem lokalen Dialekt und wenn, dann kam es nicht immer über die eigene "Hood" hinaus und die Notwendigkeit entsprechender Vereinheitlichung eher gering.


    Zwar finden sich auch in alten Dokumenten grundsätzliche Regeln der Phonem-Graphem-Zuordnung (also die Zuordnung von Lauten zu Lautsymbolen aka Buchstaben), aber in vielen alten Schreibereien findet man auch unterschiedliche Versionen von Namen. Ich erinnere mich aus der Linguistik-Vorlesung an das Beispiel eines Mönchs namens Gilbert, der in verschiedenen Schriftstücken Gilbert, Gillpert, Gillibert geschrieben wurde. Mangels einer Vereinheitlichung würde mich auch wirklich nicht wundern, wenn es von Namen ohne "eindeutige" Schreibweise auch mehrere Versionen gab - gibt es ja auch heute noch.

    Ich zitiere hier wieder den Vortragenden "Wenn man ein Wort noch nie geschrieben hat und nicht wusste wie, dann hat man es halt meist so geschrieben, wie man geglaubt hat, dass es geschrieben wird und ein Empfänger hat sich meistens auch ausgekannt. Aber alles wissen wir halt auch nicht, weil den Kaszettel (lokal für Schmierzettel) ohne aufhebenswerte Informationen hat auch keiner aufgehoben."


    Eindeutige Schreibweisen sind ja bis heute noch so eine Sache, obwohl unsere Sprache gut durchgeregelt ist.

    Als Beispiel gibt es unzählige zulässige Optionen Philipp zu schreiben (Philipp, Philip, Phillip, Filipp, Phillipp - und vermutlich noch mehr, die mir gar nicht einfallen) oder mehrere für meinen Vornamen; also Sarah, Sara, Sahra, Saara, Zara - und alle werden sie zumindest bei uns gleich ausgesprochen.

    Gerade die Phonem-Graphem-Zuordnung hat sich aber auch im Laufe der Jahre und auch Entwicklungen von Sprachen (Lautverschiebungen, Festlegungen, Rechtschreibreformen,...) immer wieder geändert. Manche Dinge leiten sich in der Aussprache/Schreibweise von Wortstämmen ab, andere wurden einfach irgendwann festgelegt, aus bestehenden Schreibungen geliehen.


    Generell können wir sicher getrost davon ausgehen, dass wir es nicht so aussprechen, wie es damals ausgesprochen wurde, egal wie wir es schreiben ^^


    Was Rollenspiel angeht, so finde ich die Frage, was richtig/falsch ist immer schwierig. Oft gibt es eine zentrale Regelung, etwa alle Namen in die Postsprache zu übersetzen, ich glaube aber, dass es viel auch ums eigene Gefühl geht, wie es bei Sprachen immer auch ist.

    Auch hier als Beispiel; meine liebe Elisabeth. Die Bitte melden Sie sich an, um diesen Link zu sehen. Bitte melden Sie sich an, um diesen Link zu sehen. Form von Elisabeth wäre Isabel, das "fühle" ich aber gar nicht. :D Elisabeth wurde von ihrer deutschen Familie Elisabeth getauft und genau das ist sie auch.

    Wenn man in einem Forum spielt, das eine englische Umgebung bespielt und man bei überwiegend englischen Charakternamen seinen französischstämmigen Charakter nicht anglisiert, sagt das etwas über den Charakter. Ein Jean Forgeur oder ein Johannes Schmied sind gleich exotischer und vermutlich "neuer" in ihrer Umgebung als John Smith, dessen Vorfahren vor 5 Generationen eingewandert sind und sich schon komplett angepasst haben. Und manchmal haben diese Dinge eben auch mit Schreibbarkeit/Lesbarkeit zu tun. Ich erinnere mich (fondly) an einen uralten irischen Charakter aus einer Zeit, in der in Irland noch alle irisch sprachen und ich habe mich (wie viele andere) für eine "modernere" irische Schreibweise entschieden, weil die "originale" Version aussah, als hätte jemand Buchstabensuppe verschüttet und ich hätte das im Leben nicht in Posts so schreiben wollen xD

    Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen. Bitte melden Sie sich an, um dieses Bild zu sehen.
    Ihre Gnaden Loyse de Grenier, Herrin von Cafram
    Ehefrau des Gautier de Candé
    Adlige von Jerusalem

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!