Vormundschaft

Aus Scriptorium

Das Konzept der Vormundschaft, auch Munt genannt, betraf im Mittelalter einen größeren Teil der Menschen als heute. Es gab vier verschiedene Gruppen, die regulär unter Vormundschaft standen. Dies waren:

  • Geistig Behinderte
  • Kinder
  • Frauen
  • Greise

Diese vier Gruppen, bei denen Vormundschaft nicht immer so einfach ist, wie man es sich denken könnte, werden hier behandelt, ebenso wie die Auswahl der Vormunde und deren Pflichten.

Vormund

Pflichten und Rechte des Vormunds

Der Vormund hatte das Recht, als Agent des Mündels zu handeln, und seine Geschäfte, Rechtshandlungen und sein Schicksal im Allgemeinen zu bestimmen. Auf der feudalen Ebene überlappte sich dies dabei mit der Regentschaft. Dem Vormund oblag es, für den Mündel zu haften, in seinem Namen vor Gericht zu ziehen, ihm Schutz, Sicherheit und Nahrung zu bieten, und ihn vor Feinden und Kontrahenten zu schützen. Die Vormundschaft brachte auf der einen Seite Spesen mit sich, aber auf der anderen Seite Kontrolle und sogar Macht.

Bei Kindern hatte der Mündel für die Ausbildung zu sorgen und bei Frauen um deren rechte Verheiratung. Bei geistig Behinderten und Greisen war der Aufwand geringer, da diese nicht (mehr) mitten in der Gesellschaft standen.

Auswahl des Vormunds

Im 12. Jahrhundert bestand eine Vorliebe für männliche Vormunde, aber auch weibliche Vormunde kommen schon vor. Zuerst in der Reihenfolge der Vormundschaft kam der Vater; dieser konnte die Vormundschaft nicht abwälzen. Bei Kindern hatte er sie inne, bis sie ins rechte Alter kamen (was bei Jungen hieß, dass sie selbstständig wurden, und bei Mädchen, dass sie verheiratet wurden). Verheiratete Frauen standen nicht mehr unter dem Vormund ihres Vaters, sondern immer unter der ihres Ehemannes.

Sollte der Vater sterben, solange noch die Vormundschaft anhielt, kam die Vormundschaft zumeist auf den ältesten lebenden männlichen Verwandten, z.B. einen Onkel oder einem Bruder. Wenn es in der näheren Familie keine männlichen Verwandten gibt, so übernimmt die Vormundschaft die Mutter. Freilich können diese auch die Vormundschaft untereinander klären – wenn der Onkel kein Vormund sein will, die Mutter aber schon, kann die Vormundschaft ohne Weiteres an die Mutter gehen. Wenn es gar keine nähere Verwandtschaft gibt, so erwartet dem Mündel das Schicksal, vom Vizegrafen an andere Verwandte, oder aber ein Heim, ausgehändigt zu werden.

Mündel

Geistig Behinderte

Von den Mündelgruppen sind geistig Behinderte diejenigen, die eigentlich ausnahmslos auch in der Praxis unter der Munt standen. Das mittelalterliche Recht sah „Wahnsinnige“ und „natürliche Narren“ (im Gegensatz zu Hofnarren) als nicht rechtsfähig an (daher auch die Unmöglichkeit des Rechtes, gegen geistig behinderte vorzugehen – die „Narrenfreiheit“), und deshalb musste es einen Vormund geben, der dazu sah, dass der geistig Behinderte versorgt war und sich auch rechtlich gegen Ungemach wehren konnte. Wenn niemand die Güte hatte, als Vormund zu agieren, so nimmt sich zumeist die Kirche der geistig Behinderten an, zum Beispiel der Johanniterorden – dabei wird das Spital, wo der geistig Behinderte untergebracht wird, beziehungsweise sein Vorstand, der Vormund.

Kinder

Die Vormundschaft bei Kindern endete zumeist, wenn sie erwachsen wurden. Bei Jungen heißt dass, wenn sie selbstständig werden und einen eigenen Haushalt gründen oder sich zumindest finanziell unabhängig machen. Bei Mädchen setzt dies ein, wenn sie heiraten. Dem Recht nach musste ein Kind immer einen Vormund haben, aber die Realität sah anders aus, wenn ein Kind ausriss, oder aber verwaiste und sich keine Behörde darum kümmerte. Daher gab es in jeder Stadt Waisen, die sich ohne Vormund durch die Straßen tollten, stahlen und bettelten. Ihnen kam die Vormundslosigkeit nicht zugute, da es niemanden gab, der sich um sie kümmerte. Manche davon finden Unterschlupf in Heimen und Hospitälern, wodurch diese Institutionen bzw. ihre Vorstände die Vormundschaft übernahmen.

Frauen

Frauen unterstanden bis zu ihrer Heirat dem Vater, und nach ihrer Heirat dem Ehemann. Aber nicht alle Frauen unterstanden der Vormundschaft. Die erste Ausnahme sind Nonnen – sie sind ebenso wenig Mündel wie Mönche, wobei sie natürlich ihren jeweiligen Orden und ihren Vorgesetzten bedingungslos folgen müssen. Die zweite Ausnahmen sind Witwen – nach dem Tod des Ehemannes sind die Ehefrauen von der Munt befreit, und werden als rechtsfähig angesehen. Die dritte Ausnahmen sind Frauen, die sich gegen das Recht stemmten bzw. am Rande des Rechts lebten – Ausbüxerinnen, Ganovinnen, Wanderhuren, Bettlerinnen und sonstige weibliche Mitglieder von Randschichten, die das mittelalterliche Recht unter seiner Würde fand zu umfassen. Diese Frauen hatten ob ihrer Vormundslosigkeit auch kaum Rechtsfähigkeit; nicht dass das für ihr praktisches Leben Bedeutung hatte.

Greise

Greise sind speziell insofern als dass es ihnen nur erlaubt ist, Mündel zu werden. Wenn ein Greis sich für zu alt und gebrechlich hält, um mit der Welt noch zurecht zu kommen, kann er sich freiwillig der Vormundschaft unterwerfen – seine Familie kann ihm das auch nicht abschlagen. Dies erlaubt alten Männern, ihren Lebensabend ohne große Verantwortung zu verbingen. Wenn ein Greis dies aber nicht will, gibt es keinerlei Möglichkeit, ihn dazu legal zu zwingen, solang man ihn nicht als unzurechnungsfähig erklären kann.